Von der Natur des Fliegenfischens

Von der Natur des Fliegenfischens

Menschentrauben haben sich an den Ampeln gebildet. Polizisten versuchen mit Trillerpfeifen, den Verkehr zu regeln, sie werden aber vom Hupen ungeduldiger Autofahrer übertönt. Es ist Karneval in Chiles Hauptstadt Santiago de Chile – ein Detail, das ich in meine Reiseplanung nicht einkalkuliert hatte. Der Fahrer des Micro-Busses, in dem ich sitze, lässt sich von Passagieren durch zugeparkte Gassen navigieren. Staub dringt durch die flatternden Vorhänge der gegen die Hitze der Nacht weit aufgeschobenen Fenster. Vollbremsung. Meine Fotoausrüstung landet mit einem lauten Knall auf dem Blech des Busbodens und rutscht unter die Vorderbänke. Ich versuche die Fassung zu wahren. Aber wie Profis unter Fernreisenden sagen: Wenn alles beginnt, schief zu gehen, fängt das Abenteuer erst an.

Ich entscheide mich, an der nächsten Ecke auszusteigen, um das letzte Stück zum Bus-Terminal zu Fuß zu gehen. Zum Glück erreiche ich meinen Bus nach Puerto Montt noch rechtzeitig. Ich lasse mich in den Sessel fallen und genieße den Ausblick auf die Menschenmassen. Wie ein riesiges Insekt, dass sich in einen Ameisenhaufen verirrt hat, kriecht unser Bus durch die Straßen von Santiago.

Langsam verschwinden die Lichter der Stadt, die allgegenwärtigen Sirenen der Polizeiautos werden leiser und wir nehmen Fahrt auf. Ich lehne mich zurück und lasse die nächsten 2.000 Kilometer auf mich zukommen: rund zehn Stunden mit dem Bus nach Puerto Montt und von dort eine Stunde Flug nach Balmaceda – dann bin ich in Patagonien!

Balmaceda, gelegen nahe der argentinischen Grenze, hat gerade einmal 500 Einwohner. Meine Kumpel Jarvis und Christian holen mich ab. Es ist eine völlig andere Welt: Die Luft riecht nach Moos und feuchter Erde. Nach einer halben Stunde Fahrt erreichen wir unsere Hütte am Rande von Coyhaique. Von dort bietet sich eine prächtige Panoramaaussicht auf den Nationalpark Rio Simpson, der von dichten Wäldern bedeckt ist. Unten schneidet sich das Tal tief in den schiefergrauen Fels, von Gletschern geformt und vom Wetter zerklüftet. Auch der Dauerregen der vergangenen Tage hat seine Spuren hinterlassen. Von den Gipfeln der Anden entspringen zahlreiche Wasserfälle, ihre Gewalt verleiht dem Rio Simpson durch aufgewühlten Schlamm die Farbe von Milchcafé.

Am Abend steht Fliegenbinden auf dem Programm. Wir sind zu viert: Meine drei chilenischen Freunde Jarvis, Christian und Julio habe ich auf meiner Tour im vorigen Jahr kennengelernt. Jeder von uns kratzt zusammen, was sich Brauchbares finden lässt. Wer improvisieren kann, ist klar im Vorteil: Jarvis hat Hühnerfedern aus Omas Garten gesammelt, Julio zaubert Federn vom Fasan hervor und ich bürste das Fell der Hüttenkatze Sombrita. Es eignet sich wunderbar für das Binden von Trockenfliegen, weil diese dann die Eigenschaft haben, auf dem Wasser zu schwimmen. Sie sehen dann aus wie frisch geschlüpfte Eintags- oder Steinfliegen, die im Begriff sind, von der Wasseroberfläche zu starten.

Aus einer Tüte mit bunten Gummibändern fertigen wir feine Insektenbeine. Die Begleitmusik besteht aus Tipps und Geschichten aus der letzten Saison. Gelegentlich landet auch ein saftiges Stück Rindsfilet auf dem Grill.

In den folgenden Tagen kehrt der Rio Simpson langsam zu seiner vertrauten türkisblauen Farbe zurück, damit steigt die Chance auf ein paar hungrige Forellen. Zeit, endlich mit dem Angeln zu beginnen. Die am Vortag gebastelten Fliegen wollen schließlich ausprobiert werden.
Der Fluss wirkt mächtiger denn je, sämtliche Steinbänke sind überspült. In der Dämmerung, der Rio Simpson ist in unwirklirkliches Orangerot getaucht, steigen die ersten Forellen auf, um frisch geschlüpfte Steinfliegen von der Oberfläche zu futtern. Das wieder bedeutet: Hochbetrieb an der Rute.

Strasse ins Glück: La Carretera Austral

Mit frisch gefüllten Fliegendosen und vollgetanktem Wagen fahren wir im Morgengrauen des nächsten Tages Richtung Süden. Die Luft ist klar, der Himmel hellblau und die wie mit Puderzucker bestreuten Gipfel der Anden leuchten purpurfarben wie auf einem Ölgemälde, das nur für diesen Augenblick gemalt wurde.

Das Tal vom Lago Elizalde führt uns durch kleine Dörfer mit einigen windschiefen Häusern, Hühner bringen ihre Küken am Straßenrand in Sicherheit. Wir erreichen die Brücke des Rio Paloma und gönnen uns einen Schwindel erregenden Blick in die tiefe Schlucht. Der Fluss schlängelt sich königsblau durch die Felsen, in den Bäumen hängt der morgendliche Nebel wie ein nasses Laken. Ein Fuchs trabt vorbei und verschwindet gleich darauf leichtfüßig im Unterholz.

Wir klettern die Böschung hinunter bis zum Ufer, Nebelschwaden ziehen über das Wasser und geben unseren ersten Würfen eine besondere Magie. Ich beobachte zwei Kondore, die am Berghang auftauchen. Majestätisch steigen die mächtigen Geier ohne einen einzigen Flügelschlag in die Höhe, bis nur noch zwei kleine Punkte am milchigen Himmel zu erkennen sind.

Wir waten den Fluss aufwärts, wo das Ufer immer undurchdringlicher und das Wasser immer klarer wird. In der Dämmerung erreichen wir einen Wasserfall, vor dem sich ein ausgedehnter Pool gebildet hat. Unsere neuen Fliegen scheinen hier besonders gut anzukommen. Alle zehn Minuten ruft jemand „Biss!“ oder „Truchon!“ (große Forelle).

Eine mondlose Nacht bricht herein. Die Milchstraße ist zum Greifen nah. Wir schalten die Stirnlampen aus und in diesem Augenblick kapituliert sogar der sonst unbezwingbare Drang zum Fischen vor diesem imposanten Sternenhimmel.

Beseelt wandern wir zurück zu den Zelten, machen ein Feuer und philosophieren darüber, dass uns die Fliegenrute schon zu magischen Orten geführt hat, die wir sonst nie und nimmer gesehen hätten.
Nach einem Frühstück mit Mate, dem in Südamerika verbreiteten Tee aus den Blättern des gleichnamigen Strauchs und Eiern von glücklichen Landhühnern führt unsere Route durch das Naturreservat Cerro Castillo. Hier beginnt die legendäre staubige Schotterpiste, die uns durch einsame Steppen und undurchdringliche Wälder zu dem mit 1.850 km2 zweitgrößten See Südamerikas führt – dem Lago General Carrera.

Alles klar am Rio Cochrane

Seine Wassermassen, die sich ungefähr halbe-halbe zwischen Chile und Argentinien (dort heißt er Lago Buenos Aires) aufteilen, fließen über den Rio Baker in den Pazifik ab. Zum Glück gelang es der Bevölkerung durch lautstarken Protest, ein Projekt für den Bau von zwei Staudämmen zu stoppen, so dass der natürliche Flusslauf des Rio Baker unberührt blieb.

Noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir den Rio Cochrane, an dessen Ufer wir einen schönen Platz für ein großes Lagerfeuer, Wein und einen Blick in die Sterne finden.
Am nächsten Morgen sind wir überwältigt von der Klarheit des Flusses. Wir pirschen uns entlang der steilen Uferböschung und trauen unseren Augen nicht: In der seichten Strömung stehen, deutlich sichtbar, mehrere Regenbogenforellen mit über 50 Zentimeter Länge und warten auf Nahrung.

Am seidenen Faden

Wir montieren unsere Ruten mit Trockenfliegen und schleichen flussaufwärts, damit die Fische unsere Absichten nicht gleich sehen können. Schließlich schiebt sich meine Fliege in das Gesichtsfeld einer Forelle. Sie nimmt Kurs auf den Köder, dreht aber auf den letzten Zentimetern wieder ab.
Ganz so einfach, wie es aussieht, ist Angeln hier nicht: In dem glasklaren Wasser bleiben selbst hauchdünne Schnüre nicht unbemerkt. Ich ändere meine Strategie und lasse die Fliege in der seichten Strömung absinken, indem ich nach und nach Schnur gebe. Als sie sich langsam straft , vermute ich zunächst, dass sie sich am Grund verhakt hat. Ich setze den Anhieb und spüre den Fisch, der gleich darauf Zuflucht im Unterholz sucht. Wenn er das Versteck einmal erreicht hat, habe ich mit meiner dünnen Schnur keine Chance mehr. Ich steuere also dagegen und versuche zugleich, der Schnur nicht zu viel zuzumuten. Der Fisch bemerkt die Kursänderung und flüchtet in vollem Tempo, springt aus dem Wasser und verabschiedet sich mit einer gekonnten Kopfbewegung für immer – eine Choreographie, die einstudiert wirkt wie ein gutes Ballett.

Kurz darauf erscheint ein Schmetterling am Ufer und flattert dicht über der Wasseroberfläche dahin. Das veranlasst eine Forelle, sich von ihrem Standplatz am Grund zu lösen und den unberechenbaren Bewegungen des Schmetterlings zu folgen. Meine Fliege, bloß Nebendarsteller in diesem Geschehen, wird von der Forelle scheinbar nebenbei inhaliert. Trotz ihrer folgenden, kraftvollen Flucht gelingt es mir, sie nach einem aufregenden Drill in meinen Händen zu halten. Was für ein Glück!

Grande Finale am Rio Baker

Doch das Beste kommt noch: die Mündung des Rio Cochrane in den Rio Baker. Beim Anblick dieser fantastischen Kulisse müssen wir in Ehrfurcht vor der Schönheit dieser Welt einen Moment innehalten, bevor wir beginnen, die ersten Würfe zu machen.

Bei brütender Hitze stehen die Forellen im Schatten der krautigen Ufer und warten auf Insekten oder Brut fische. Christian kramt eine alte Fischimitation aus der Dose, die er wenige Zentimeter über dem Grund langsam entlang führt. Kurz vor seinem nächsten Wurf schießt plötzlich aus dem Nichts eine riesige Regenbogenforelle hervor, um sich seine Fliege zu schnappen. Nach einem kurzen Kampf legt sie sich auf die Seite, was Christian als Ermüdungserscheinung deutet. Doch kurz bevor er sie mit einem entschlossenen Griff an der Schwanzflosse landen will, flüchtet die Forelle ins tiefe Blau. Einsam taumelt Christians Fliege im Wasser.

In der Abenddämmerung beginnt die Stunde der Wahrheit. Massenhaft steigen Forellen auf, um sich Mai iegen einzuverleiben. Es wirkt, als hätte jemand einen Schalter umgelegt: Uns wird schlagartig bewusst, wie viele Fische hier leben. In diesem Moment bringt fast jeder gezielte Wurf eine Bach- oder Regenbogen- forelle. Wir fühlen uns wie halb verdurstete Wüstennomaden, die endlich eine Oase gefunden haben. Glücksgefühle ohne Ende. Als das große Fressen vorbei ist, packen wir zufrieden unsere Ruten ein und genießen den Blick auf das einzigartige Panorama von blau eingefärbten Bergen unter feuerrotem Himmel.
Eine alte Anglerweisheit besagt, dass es schön ist, wo auch immer Forellen sind. Diese Behauptung stimmt am Rio Baker noch mehr als an jedem anderen Ort der Welt.

Fotos: Tobias Cordes

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Tobias Cordes

Tobias Cordes ist Bassist der Berliner Band Seeed, Mitbegründer des Labels Ferox Featherworks und Fly Fishing Guide Berlin. Er fährt seit über 10 Jahren in seine zweite Heimat chilenisch Patagonien zum Fliegenfischen und gibt gerne seine Erfahrungen als Guide in Deutschland, Dänemark und Chile weiter.

REALTED STORIES

Fliegenfischen im Drachental

Fliegenfischen im Drachental

Es kann nichts Vollkommeneres geben, als sich beim Anbruch des Tages eine Fliegenrute zu greifen, den Rucksack zu packen und die Aussicht auf einen Tag an einem wilden, nahezu unberührten Fluss zu genießen.
Es ist ein klarer, himmelblauer Tag im späten Mai; die Luft ist warm und die Wälder sprießen in sattem Grün. Eine Bergstraße führt mich durch bezaubernde Fichtenwälder über kleine Bäche und saftige Weiden. Am Horizont schimmern die Kämme der Voralpen im Morgenlicht.
Dann öffnen sich die dicht bewaldeten Hänge des magischen Drachentals vor mir; still liegt es unten zwischen den umliegenden Felswänden.

Die Legende

Vor rund 500 Jahren ließen sich die ersten Siedler im Süden des Leitzachtals nieder. Sie bauten ihre Häuser an den Hängen der Berge und hörten die Leitzach tief unten im Tal donnern. Den Weg dorthin mieden sie allerdings. Sie glaubten, dass in der Tiefe Drachen hausten. Wenn am Morgen der Nebel an den Berghängen hinaufstieg, dachten sie, das sei der Rauch des Drachenfeuers. Der Name „Drachental“ war geboren. Er ist bis heute geblieben.

Ein Fluss voller Leben

Im Oberlauf meist gesäumt von weitläufigen Wiesen, fließt die Leitzach durch die malerische Landschaft der Voralpen. Sie steckt voller Leben. Das liegt an ihrem frischen, sauerstoffreichen, glasklaren Wasser mit den sprudelnden Stromschnellen und tiefen Pools – alles in allem ein idealer Lebensraum für Regenbogen- und Bachforellen sowie Äschen.
Das kühle Bergwasser sorgt dafür, dass die Fische auch in der Sommerhitze aktiv sind. Im Frühling kann man hier wunderbare Fliegenschlüpfe erleben, wobei große Steinfliegen einen wichtigen Teil der Fischnahrung ausmachen.

Doch das Beste ist, dass in dieser Region seit den 1930er Jahren praktisch kein Fischereidruck ausgeübt wurde. Die natürliche Umwelt ist einer Familie zu verdanken, die seit Generationen ausschließlich im Drachental fischte. So konnte sich in der Leitzach eine gesunde Population von Forellen und Äschen entwickeln, von denen viele nie zuvor eine künstliche Fliege gesehen haben.

Die ersten Würfe

Oberhalb der alten Mühle von Wörnsmühl steige ich in meine hüfthohe Wathose und binde eine Elk Caddis-Fliege an mein 0,18mm Vorfach. Froh über die kühle Erfrischung des Gebirgswassers, mache ich meine ersten Würfe in den Schattenbereich des gegenüber liegenden Ufers. Kleine Forellen attackieren die Trockenfliege sofort. Sie stellen sich an meiner 4er-Rute als ziemlich kampfstark heraus.
Mit ihrer wunderbaren Zeichnung sind sie der lebende Beweis der exzellenten Wasserqualität und des reichen Nahrungsangebots.
Gemächlich wandere ich am Ufer flussaufwärts, um größere Fische zu entdecken. Der Weg führt vorbei an mächtigen Felsen, hinter denen sich Rückströmungen bilden. Von einer Holzbrücke öffnet sich ein fantastischer Blick über einen Pool, der mich mit seinem türkisfarbenen, glasklaren Wasser an die Flussläufe Sloweniens erinnert; hier ist das Tor zum geheimnisvollen Drachental.

Im Schutz überhängender Äste wartet eine Gruppe Forellen auf Futter. Es erfordert ein bisschen Geschick, um die Trockenfliege stromaufwärts vor ihnen abzulegen. Die starke Strömung sorgt dafür, daß ich den Anhieb sehr schnell setzen muss. Die bildschönen Regenbogenforellen zögern nicht lange, mein Herz schlägt höher.

Hinein ins Drachental

Immer auf der Suche nach einem Nebenfluss oder einem noch besseren Platz zum Fischen folge ich dem Flusslauf, der tiefer ins Tal hinein führt. Die Hänge werden steiler und nur wenige Sonnenstrahlen durchdringen das dichte Blätterdach der Bäume. Die Geschichte der alten Legende kommt mir in den Sinn. Ich kann mir bildlich vorstellen, wie ein Drache im Unterholz zwischen den riesigen Farnen und Moosen lebte, um die geheime Quelle der Leitzach zu bewachen. Gewaltige Stauden, auf denen Steinfliegen von beeindruckender Größe krabbeln und imponierende Libellen, die am Ufer patrouillieren, könnten auch aus einem Zeitalter aus der Frühzeit der Erde stammen.
Da sich kaum Forellen an der Oberfläche zeigen, knote ich zunächst die bewährte Prince Nymphe an mein Vorfach und lasse sie in ohne jede Bewegung am Ufer entlang treiben – in einer dead Drift , wie Fachleute sagen. Diese Methode funktioniert hier wunderbar.

In den tieferen Pools bringe ich eine beschwerte Goldkopf-Nymphe ins Spiel, um größere Forellen aus der Tiefe zu locken; vorerst noch ohne Erfolg. Dann durchstreife ich die Schutzzone der Leitzach, in der sich zwischen großen Schilfgürteln viele Brutplätze einheimischer Vögel befinden. In der Ferne erhebt sich, 1.838 Meter hoch, majestätisch der Wendelstein. So viel Anmut rundum macht ein bisschen demütig.

Die Stunde der Grossen

Es treibt mich weiter stromaufwärts, durch mannshohes Schilf, wo die Leitzach in einer breiten Kurve um eine längliche Schotterbank führt. Hier haben sich vom Fluss mitgeführte Steine und große Mengen von Sand abgelagert – ein idealer Platz für ein Camp. Ich sammle etwas Totholz für die Feuerstelle und lasse eine Stonefly-Nymphe die Kiesbank entlang driften.
Es ist der Auftakt für den Höhepunkt des Tages: In der Dämmerung nämmlich winkt die Stunde der Großen! Und wirklich: Es gibt packende Drills, die einen beflügeln und die Vorfreude auf den nächsten Tag schüren.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit packe ich meine Rute und wandere zurück zum Lager; es wird umhüllt vom Alpenglühen der umliegenden Berge. Am Lagerfeuer entfaltet sich einmal mehr die einzigartige Magie dieses Ortes. Ich lege den Kopf in den Nacken, über mir erstahlt der Sternenhimmel in seiner ganzen Pracht. Man kann sich kaum satt sehen. Am Ende schlüpfe ich glücklich ich in meinen Schlafsack.

Neuer Tag, neues Glück

Der neue Tag ist frisch und kraftvoll. Ich klettere am frühen Morgen aus meinem Zelt. Nebel liegt auf dem Fluss. Junge Forellen pflücken bereits kleine Insekten von der Wasseroberfläche.
Während die Sonne langsam über die Wipfel der Bäume steigt, koche ich Kaffee und beobachte das Schauspiel. Später folge ich einem Wanderweg, der mich entlang des Berghangs führt. Sonnenstrahlen leuchten das Flussbett aus. Fasziniert von dem Funkeln, das das Licht auf den Wellen erzeugt, entdecke ich hinter einem Felsen eine große Bachforelle in ihrer Komfortzone. Aufgeregt wate ich zum anderen Ufer, um sie von dort stromaufwärts anzuwerfen. Viele Versuche wird sie mir bestimmt nicht geben.

Der erste Wurf gerät noch etwas zu kurz. Danach landet meine Trockenfliege genau auf dem Felsen. Mit einem Zupfer gelangt sie in die Strömung und treibt direkt hinter den Felsen, wo die Forelle noch immer wartet. Sie zögert keine Sekunde und attackiert meine Fliege sofort. Sie entwickelt in der Strömung eine verblüffende Kraft , so dass ich ein Stück flussabwärts laufen muss, um sie nicht zwischen dem Treibholz und den Felsen des Strömungstrichters zu verlieren. In rasendem Tempo wechselt die Forelle zwischen den Strömungen hin und her, ihre Flanke glitzert golden in den Wellen der Leitzach.

Am Ende gleitet der prächtige, rot orange gepunktete Fisch ermattet in meinen Kescher. Zufrieden mit meinem Fang picknicke ich auf einer duftenden, blühenden Wiese. Schwer zu beschreiben, welche Gefühle mein Inneres in diesem Moment fluten. Vielleicht ähneln sie denen eines Bergsteigers beim Erreichen des Gipfels, oder jenen eines Surfers, dem es gelingt, eine besonders hohe Welle zu reiten.
Eines steht fest: Für mich gibt es nichts Wichtigeres als die Flüchtigkeit und Einfachheit dieser Momente. Sind sie doch eine Chance, die Schönheit seiner Umgebung zu erkennen; nach innen zu schauen und ein Teil seiner Umwelt zu werden.

Text: Tobias Cordes  Fotos: Phillip Noss, Jonathon Muir